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Zürcher Telephongesellschaft

Einleitung
Die Zürcher Telephongesellschaft, eine schweizerisch-amerikanische Aktiengesellschaft, errichtet 1880 in Zürich das erste Telefonnetz der Schweiz. Der Bundesrat erteilt ihr eine auf fünf Jahre befristete Betriebskonzession. Trotz finanziellem Risiko und geringen Erfolgsaussichten wagen die Pioniere von damals den Schritt ins Neuland. Es ist das unbestrittene Verdienst der Zürcher Telephongesellschaft, als eine der ersten in Europa mutig und entschlossen den Grundstein für ein Telefonnetz in der Schweiz gelegt zu haben.

 

Konzessionsgesuch für den Bau einer „Central-Telephon-Station in Zürich“
Am 18. Februar 1878 unterstellt der Schweizer Bundesrat das Telefonwesen dem Bundesregal. Wilhelm Ehrenberg, Telefonfabrikant in Neumünster-Zürich, ist damit nicht einverstanden. Seiner Meinung nach verstösst dieser Beschluss gegen die in der Bundesverfassung verankerte Handels- und Gewerbefreiheit. Am 30. Mai 1878 reicht er über die Winterthurer Anwaltskanzlei Brunner & Ziegler Beschwerde ein und verlangt die sofortige Aufhebung des Dekrets. Noch im Dezember desselben Jahres wird die Beschwerde Wilhelm Ehrenbergs von der Bundesversammlung abgewiesen. Sie erklärt sich jedoch bereit, private Leitungen zu konzessionieren, sofern sie das Telegraphenmonopol nicht beeinträchtigen oder konkurrenzieren.

Am 16. April 1880 reicht Ehrenberg, inzwischen Mitinhaber der Firma Kuhn & Ehrenberg — Telegraphenwerkstätte in Uster und Zürich, als erster ein Konzessionsgesuch für den Bau und Betrieb einer „Central-Telephon-Station in Zürich“ ein, die eine Telefonzentrale und ein Telefonnetz für die Stadt Zürich und die Vororte umfasst. Anders als vor zwei Jahren ist das Gesuch diesmal an den Departementsvorsteher und die Telegraphendirektion gerichtet. Sie sind an einem Grossversuch durch ein privates Unternehmen interessiert, wohl in der Absicht, eine für sie risikolose Marktentwicklung zu beobachten.

Am 17. Mai 1880 wurde Ehrenberg der Entwurf der Konzessionsurkunde zugestellt, doch ging er überraschenderweise nicht darauf ein. Stattdessen werden am 15. Juli Nationalrat Dr. J. Ryf und Herr Paul F. Wild beim Bundesrat vorstellig. Die beiden Herren wollen die von Herrn W. Ehrenberg — im Schreiben als Agent der International Bell Telephone Company bezeichnet — beantragte Konzession erhalten. Tatsächlich sind Ryf und Wild zusammen mit der International Bell Telephone Company in New York an der Gründung der Zürcher Telephongesellschaft beteiligt. Armin Tenner, Generaldirektor der International Bell Telephone Company für Deutschland und die Schweiz, hält sich zu diesem Zeitpunkt in Zürich auf. Seine Anwesenheit ist kein Zufall und steht eindeutig im Zusammenhang mit der Vertragsunterzeichnung. Was genau zwischen dem 16. April und dem 15. Juli geschah, ist nicht bekannt. Bemerkenswert ist, dass Ehrenberg sich gegenüber dem Bundesrat nie als Agent der International Bell Telephone Company ausgab.

Am 30. Juli 1880 wird die Konzessionsurkunde mit einem Begleitschreiben den Konzessionären der Zürcher Telephongesellschaft zugestellt. Die Konzession gilt für die Dauer von 20 Jahren. Doch noch bevor sich die Zürcher Telephongesellschaft zu einer Generalversammlung versammeln kann, interveniert der Zürcher Stadtrat mit einem Schreiben an den Bundesrat. Der Stadtrat legt darin unter anderem seine Bedenken gegen den Bau neuer Telefonleitungen durch die Stadt dar (Stadtbild, technische Beeinträchtigung öffentlicher Einrichtungen usw.), und die Aussengemeinden sorgen mit einem eigenen Konzessionsgesuch für Aufregung. Zudem gelangt das Post- und Eisenbahndepartement mit einer Eingabe an den Bundesrat, in der es vor allem die lange Konzessionsdauer von 20 Jahren kritisiert. Am 22. März 1881 wird der Zürcher Telephongesellschaft nach einem langwierigen und komplizierten Verfahren die Konzession für fünf Jahre erteilt.

 

Betrieb mit provisorischer Bewilligung
Mit einer provisorischen Bewilligung des Stadtrates beginnt die Zürcher Telephongesellschaft am 27. August 1880 mit dem Bau der Telefonanlage am Rennweg 59. Wenige Wochen später, am 2. Oktober 1880, nimmt die Gesellschaft den Betrieb des ersten Telefonnetzes der Schweiz auf.

Die ersten Apparate, sowohl für die Zentrale als auch für die Teilnehmer, wurden von der International Bell Telephone Company geliefert, die auch den Bau des Netzes übernahm. Wahrscheinlich stammen die ersten zweihundert Telefonapparate von der Firma Post & Co. aus Cincinnati (Ohio), einem der Lieferanten der National Bell Telephone Company. Später wurden Modelle der Gilliland Electric Manufacturing Company verwendet. Von der Gilliland Electric Manufacturing Company stammt auch der erste am Rennweg 59 eingesetzte Vermittlungsschrank.

Dr. Victor Wietlisbach führt als erster Direktor die Geschäfte des neu gegründeten Unternehmens. Er wechselt 1884 als Leiter der technischen Abteilung zur Eidgenössischen Telegraphenwerkstätte. In seinem kurzen Leben verfasste er zahlreiche technische Abhandlungen und Bücher, die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurden. Nach seinem frühen Tod im Jahr 1897 veröffentlichte sein Freund Professor Dr. Robert Weber seine umfangreichen Aufzeichnungen über das Telefonwesen in einem Handbuch.

 

Ausbau des Telefonnetzes in Zürich
Die Zürcher Telephongesellschaft betreibt in den folgenden Jahren das Telefonnetz in der Stadt Zürich und den Vororten. Da die Gesellschaft innerhalb der Schweiz nicht expandieren darf, wird sie auch im Ausland tätig. Neben der Herstellung von Verbindungen bietet die Gesellschaft auch Weckrufe, Alarmmeldungen und die Entgegennahme von Bestellungen an. Bereits 1881 wurde beschlossen, öffentliche Sprechstellen einzurichten, um die neue Kommunikationsmöglichkeit allen zugänglich zu machen. Noch im selben Jahr werden 11 öffentliche Sprechstellen eingerichtet.

Telefonzentrale in Zürich mit Gilliland-Umschalter, um 1880
Telefonzentrale in Zürich mit Gilliland-Umschalter, um 1880

Ende 1880 sind 144 Teilnehmer an die Telefonzentrale am Rennweg 59 angeschlossen. Bereits Mitte Februar 1881 ist die Telefonzentrale mit 200 Anschlüssen voll ausgelastet. Dank der Einigung mit den Gemeinden Enge und Aussersihl schliessen sich auch andere Aussengemeinden dem Vertrag an und ermöglichen der Zürcher Telephongesellschaft den Ausbau ihres Netzes. Am 10. Februar 1882 wird die zweite Telefonzentrale an der Kappelergasse 18 in Betrieb genommen. Bereits werden von den acht angestellten Telefonistinnen täglich rund 2000 Verbindungen hergestellt.

Ende 1883 ist Zürich an sieben Telefonnetze der Eidgenössischen Telegraphenverwaltung angeschlossen. Es sind dies die Gemeinden Thalwil, Horgen, Richterswil, Wädenswil, Winterthur, Adliswil und Schaffhausen (via Winterthur).

Ende 1886 beschäftigt die Zürcher Telephongesellschaft 129 Angestellte und Arbeiter. 1888 werden Agenturen in Belgien und Russland eröffnet.

Die Zahl der angeschlossenen Apparate steigt stetig, und mit einem Telefon auf 130 Einwohner erreicht das Zürcher Netz die höchste Telefondichte Europas. Für den Betreiber hat ein sicherer und störungsfreier Betrieb oberste Priorität. Deshalb werden die Apparate bei den Abonnenten alle zwei Monate kontrolliert und die Batterien ersetzt. Viele Störungen sind jedoch auf unsachgemässe oder fahrlässige Behandlung des Telefons durch den Benutzer zurückzuführen.

Statistik_Zürcher_Telefongesellschaft
Telefonzentrale am Rennweg in Zürich, 1885
Telefonzentrale am Rennweg in Zürich, 1885

Verstaatlichung der Telefonnetze in Europa
Lange Zeit hoffte man auf eine Verlängerung der Konzession, die Ende 1885 auslief. Doch 1884 zeichnete sich die definitive Rückgabe des Netzes an die Eidgenössische Telegraphenverwaltung ab. Um weiter bestehen zu können, expandiert die Zürcher Telephongesellschaft ins Ausland und baut und unterhält Telefonnetze in Belgien und Italien. Ende 1890 zählte die Zürcher Telephongesellschaft 1462 Abonnenten im Ausland. Telefonapparate aus eigener Produktion werden nach Italien, Belgien, Ungarn und Südamerika geliefert. Wie in der Schweiz werden auch in anderen europäischen Ländern die Telefonnetze nach und nach verstaatlicht. Anfang der 1890er Jahre gehen in Belgien die von der Zürcher Telephongesellschaft betriebenen Netze an den Staat über. In Italien macht die Regierung kostspielige Auflagen für den Weiterbetrieb. Sie verlangt den Ausbau und die Zusammenschaltung der städtischen Netze und greift zunehmend in die Abonnementsgebühren ein.

Anfang 1912 fusioniert die Zürcher Telephongesellschaft mit dem italienischen Konsortium Società Nationale dei Telefoni in Bergamo und verlegt ihren Sitz von Zürich nach Bergamo. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzichtete die Zürcher Telephongesellschaft auf die Konzession in Italien und die Abonnenten gingen an die Società Nationale dei Telefoni über.

Fabrikation, das zweite Standbein
Der 1881 von der Zürcher Telephongesellschaft gegründete Fabrikationsbetrieb entwickelte sich von einer kleinen Reparaturwerkstätte zu einer stattlichen Fabrik. Die Entstehungsgeschichte wird in einem eigenen Kapitel erläutert. Das Tätigkeitsfeld beschränkte sich zunächst auf die Herstellung von Telefonapparaten, verwandten Produkten und Haustelegrafen (Sonnerie). Mit zunehmender Erfahrung werden auch Verbesserungen an Telefonen und Schalttischen vorgenommen.

Im Laufe der Zeit wird das Tätigkeitsfeld erweitert und die Fabrik konstruiert ein elektrisches Schloss, baut dynamoelektrische Maschinen und elektrische Lampen. Mit dem Aufschwung der Beleuchtungstechnik kommen Glühlampen, Bogenlampen und galvanische Elemente hinzu. Die Werkstatt liefert auch Maschinen für galvanoplastische und metallurgische Zwecke, Präzisionsinstrumente und elektrische medizinische Geräte.

 

Elektrische Beleuchtung
Die Internationale Elektrizitätsausstellung 1881 in Paris zeigt, dass die elektrische Beleuchtung an Bedeutung gewinnt. Am 19. September 1881 beschliesst die Zürcher Telephongesellschaft, ihr Tätigkeitsgebiet auf die elektrische Beleuchtung auszudehnen. Bereits ein Jahr später konnte sie einen bedeutenden Auftrag gewinnen und den Bahnhof Zürich — Halle, Vorhalle und Gepäckhalle — mit elektrischem Licht ausrüsten. Das Beleuchtungsmaterial bleibt Eigentum der Gesellschaft, die Kundin, die Nordostbahn, bezahlt für die Installation eine jährliche Pauschale. Im gleichen Jahr darf die Gesellschaft für die Stadt Zürich zwei Lampen auf dem Bahnhofplatz aufstellen. Kurz darauf folgen weitere Beleuchtungsaufträge von einer Seidenfärberei und einer Buchdruckerei. Die erste ausserkantonale Beleuchtungsanlage wird mit dem Eisfeld des Eisclubs St. Gallen realisiert. In den folgenden Jahren folgen Installationen in der ganzen Schweiz und im benachbarten Italien. Einzelne Anlagen entstehen auch in Belgien, Frankreich, Russland und Spanien.

Am 31. Dezember 1922 wird die Firma aus dem schweizerischen Handelsregister gelöscht, nachdem sie bereits seit mehreren Jahren in der Schweiz nicht mehr tätig war.

 

Autor: Martin Feuz

Änderungsindex:
2023: Bericht überarbeitet.
2022 : Erkenntnisse über die Firma Gilliland Electric Manufacturing Company ergänzt.
2015 : Bericht verfasst.

 

Quellennachweis:

  • Geschäftsberichte der Zürcher Telephongesellschaft 1880 – 1890
  • Hundert Jahre elektrisches Nachrichtenwesen in der Schweiz, Band II
  • Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Band 28

Bildmaterial:
Mit der Einwilligung des Museums für Kommunikation, Bern:

  • Telefonzentrale Zürich, Gilliland-Umschalter, 1880 : Bild FD 003384a
  • Telefonzentrale Zürich, Rennweg 59, 1885: Bild PRO 004039

Telephonindustrie-Gesellschaft in Zürich

Die Gründung der Telephonindustrie-Gesellschaft
Die International Bell Telephone Company mit Sitz in New York ist Mehrheitsaktionärin der Zürcher Telephongesellschaft und beliefert diese zunächst mit Zentralenausrüstungen und Telefonapparaten. Die Nachfrage nach Telefonanschlüssen ist jedoch grösser als erwartet und bereits Mitte Februar 1881 ist das für 200 Abonnenten ausgelegte Netz voll ausgelastet. Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssen Zentrale und Netz rasch erweitert werden. Da die International Bell Telephone Company mit dem eigenmächtigen Ausbau durch die Zürcher Telefongesellschaft nicht einverstanden ist, stellt sie die Materiallieferungen ein.

Im Februar und März bleiben die dringend benötigten Geräte länger aus. Die Zürcher Telephongesellschaft sieht sich deshalb gezwungen, die Herstellung der Apparate selbst in die Hand zu nehmen und eine Werkstätte einzurichten. Um die statutarischen Beschränkungen zu umgehen, gründet sie eine neue Gesellschaft, die Telephonindustrie-Gesellschaft in Zürich. Die anfänglich kleine Werkstatt in gemieteten Räumen in Selnau beschäftigt zwölf Arbeiter und eine Arbeiterin unter der Leitung eines Werkmeisters. Sie belieferte die Zürcher Telephongesellschaft mit Telefonen und Zubehör, das mit grosser Wahrscheinlichkeit von der Gilliland Electric Manufacturing Company in Indianapolis stammte. Gemäss dem Geschäftsbericht 1880–1881 bezieht auch die Eidgenössische Telegraphenverwaltung eine grössere Anzahl Telefonapparate und mehrere Umschalttische von dieser neu gegründeten Werkstätte an der Limmat. Dies lässt den Schluss zu, dass die Werkstätte — allem Anschein nach — das Material im Ausland einkaufte, in der Schweiz montierte und verkaufte.

Beilegung des Rechtsstreits und Zusammenschluss der beiden zürcherischen Gesellschaften
1882 konnte der Streit zwischen der International Bell Telephone Company und der Zürcher Telephongesellschaft beigelegt werden. Die Amerikaner reduzieren ihre Forderungen und treten gleichzeitig ihre 125 Aktien an das Verwaltungskomitee der hiesigen Aktionäre ab. Aufgrund der veränderten Umstände ist die Führung von zwei Gesellschaften nicht mehr zwingend und eine Zusammenlegung der beiden verwandten Geschäftsbereiche, Betrieb des Telefonnetzes und Herstellung von Apparaten, erwünscht.

Am 4. November 1882 stimmten die Aktionäre der Fusion der beiden Gesellschaften zu und die Zürcher Telephongesellschaft übernahm die Aktiven und Passiven der Telephonindustrie-Gesellschaft.

Die aus der Not geborene Gründung der Telephonindustrie-Gesellschaft in Zürich und der damit verbundene Befreiungsschlag gegen die Sanktionen des amerikanischen Giganten Bell zeugen vom starken Willen des unternehmerisch denkenden Zürcher Verwaltungsrates, nicht klein beizugeben, sondern durch geschicktes Handeln die Zürcher Telephongesellschaft zu erhalten.

 

Autor: Martin Feuz

Änderungsindex:
2023: Bericht überarbeitet.
2022: Erkenntnisse über die Firma Gilliland Electric Manufacturing Company ergänzt.
2017: Bericht verfasst.

 

Quellennachweis:

  • Geschäftsberichte der Zürcher Telephongesellschaft 1880 – 1890
  • Hundert Jahre elektrisches Nachrichtenwesen in der Schweiz, Band II
  • Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Band 28