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Jules Cauderay

Einleitung

Jules Cauderay war ein intelligenter und innovativer Erfinder zu einer Zeit, als die Elektrotechnik noch in den Kinderschuhen steckte. Er war stets auf der Höhe der technologischen Entwicklung und verstand es, technische Probleme anzugehen und zu lösen. Sein Tätigkeitsfeld war breit gefächert und reichte von der Sonnerie in Hotels, Handtelefon, elektrischen Zählern, Medizintechnik, elektrischen Uhren bis hin zu Kilometerzählern für Autos.

Trotz all seiner Leistungen starb er arm und einsam. Er verband eine vollkommene Ehrlichkeit mit einer Bescheidenheit, die der Entwicklung seiner Entdeckungen oft abträglich war, ohne sich jemals entmutigen zu lassen.

Werdegang

Der am 2. September 1844 in Allaman (Waadt) geborene Jules Cauderay wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater, ein Posthalter, schickte ihn in die Primar- und Sekundarschule von Aubonne, wo er seine einzige Ausbildung erhielt. Im Anschluss absolvierte er eine Lehre als Telegrafist am Bahnhof von Vevey, später in Basel und Olten. Aufgrund seiner herausragenden Leistungen wurde er von seinen Vorgesetzten entdeckt und zum Vorsteher des Telegraphenbüros im Bahnhof Bern ernannt, wo er zwei Jahre lang tätig war.

Nach seiner Rückkehr nach Lausanne gründete er 1866 zusammen mit seinem Bruder Henri eine Elektrofirma. Es handelte sich hierbei um das erste und über einen langen Zeitraum hinweg einzige Unternehmen dieser Art in der Westschweiz und sogar in der Schweiz. Die Installation von Läutwerken (Sonnerie) und später von Telefonen bildeten den Hauptteil der Geschäftstätigkeit. Darüber hinaus zeigte er ein ausgeprägtes Interesse für jede neue Erfindung auf diesem Gebiet.

Seine kleine Werkstatt in der Rue St-Pierre erfreute sich eines ausgezeichneten Rufs, und er wurde mit der Ausführung der meisten Installationen in den grossen Hotels von Lausanne, Montreux, im Wallis und in Savoyen beauftragt. Ein Ausländer, der im Hotel Gibbon in Lausanne abgestiegen war, zeigte sich sehr interessiert an den Schalttafeln der dortigen Rufanlage und bat ihn nach Triest zu kommen, um sein Hotel mit einer ähnlichen Anlage auszustatten.

Nach dem Tod seines Bruders im Jahr 1876 stand er allein an der Spitze des Unternehmens. In dieser Zeit unternahm er ein Experiment, das ihn, hätte er über ein tieferes Fachwissen verfügt, möglicherweise zu Marconi hätte werden lassen: Er platzierte zwei Rasierklingen senkrecht nebeneinander, eine fest und isoliert, die andere hängend und mit Erdkontakt. Anschliessend wurde in einer Entfernung von ca. 30 m ein Funkeninduktor nach Rühmkorff aktiviert und die beiden Klingen verschweissten sich.

Um 1882 wurde Lausanne als erste Schweizer Stadt mit einem kleinen Licht- und Kraftnetz ausgestattet. Jules Cauderay entwickelte und konstruierte den ersten Elektrozähler, der nicht als Stundenzähler fungierte, im Jahr 1883.

Die Chamon, Foiret & Cie mit Sitz in Paris erwarb die Patente und stellte Jules Cauderay als Fabrikationsleiter ein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten stellte sich der Erfolg ein. Der Cauderay-Zähler war wegen seiner Genauigkeit und weil er keinen Strom verbrauchte, überall sehr gefragt. Der grösste dieser Zähler, der im Palais Royal installiert war, hatte 1000 Ah, was für die damalige Zeit enorm erschien.

Auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1885 wurde der Zähler mit der Goldmedaille ausgezeichnet.

Bald kamen andere Zähler auf den Markt, die auf dem Prinzip von Cauderay basierten. Diese waren weniger genau, dafür aber billiger. Um konkurrenzfähig zu bleiben, sah sich der Zählerhersteller Cauderay (um 1892) gezwungen, eine Modifikation des französischen Ingenieurs Frager zu übernehmen. Diese Modifikation ermöglichte es, mit der Konkurrenz Schritt zu halten, war aber für Cauderay schwer zu akzeptieren. Er tat sich schwer damit. Der neue, namenlose Zähler „Cauderay — Frager“ wurde auf den Markt gebracht, aber von da an begannen die Reibereien, die zur Auflösung des Unternehmens führten.

Eine neue Firma ohne den Erfinder Cauderay wurde gegründet.

Jules Cauderay orientierte sich neu und erfand eine elektrische Pendeluhr von genialer Einfachheit. Die Beschreibung dieser Konstruktion wurde der Akademie der Wissenschaften vorgelegt und war so erfolgreich, dass die Zeitschrift „La Nature“ um die Erlaubnis bat, sie mit Abbildungen zu veröffentlichen. Aus kommerzieller Sicht war dies ein Fehler. Es gingen zahlreiche Bestellungen aus der ganzen Welt ein, denn diese Uhr hatte die Eigenschaft, unabhängig vom Stromnetz zu sein und in jeder Lage zu funktionieren. Aber die Produktion war noch nicht einmal geplant, und es dauerte zwei Jahre, bis das erste Modell auf den Markt kam! Das war zu spät. Cauderay, der die Erfahrung mit dem Zähler nicht wiederholen wollte, wandte sich an eine Fabrik in Saint-Nicolas d’Aliermont bei Dieppe, wo die Produktion in Heimarbeit erfolgte. Nachdem er zusammen mit Regamey und Anker in Lausanne eine Uhrenfirma gegründet hatte, kümmerte er sich direkt um die Produktion und den Verkauf. Die Räderwerke der Uhren wurden in l’Orient (Vallé de Joux), in Boncourt (Frankreich) und in Monthey (Wallis) hergestellt. Da es jedoch nicht möglich war, in grossen Serien zu produzieren, konnten die Gestehungskosten nicht genügend gesenkt werden. Der Absatz konnte nicht genügend ausgeweitet werden, die grosse Masse wurde von einer Firma in Hamburg aufgekauft.

Cauderay kehrte genauso arm nach Lausanne zurück, wie er es verlassen hatte; andere hatten es verstanden, sich die Gewinne unter den Nagel zu reissen.  Er nahm sein kleines Unternehmen bescheiden wieder auf und wurde einer der ersten fünf Konzessionäre für elektrische Anlagen in der Stadt Lausanne. Nach und nach wurde er wieder zu einem der angesehensten Industriellen der Stadt.  Sogar die Stadt Zürich liess ihn einmal kommen, um einen Fall zu untersuchen, den seine Ingenieure nicht lösen konnten.

Er arbeitete und spezialisierte sich auf verschiedenen Gebieten, wie z. B. der Elektro-Medizintechnik, dem Kilometerzähler für Autos usw.

Leider kosteten all diese Erfindungen und Konstruktionen mehr, als sie einbrachten. Jules Cauderay war ein genialer Tüftler und Erfinder, aber kein Geschäftsmann. Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg trieb sein Unternehmen in den Ruin, und diejenigen, die von seiner Arbeit profitiert hatten, halfen ihm nicht.

Er arbeitete in Lausanne bis wenige Wochen vor seinem Tod im März 1932.

 

Autor: Martin Feuz

Änderungsindex:
2024: Artikel verfasst.

 

Quellennachweis:

  • Jules Cauderay, Sohn: Biographie über seinen Vater